Es ist Dienstag, der 17.September und nach einem routinemäßigen Termin beim Orthopäden verlasse ich Köln gegen 11:00 h. Es geht zunächst nach Westen, dann weiter in südwestlicher Richtung. Ziel ist die Nordküste der Bretagne. Dieses Mal bin ich allein mit unserem Camper unterwegs, Christine bleibt aus gesundheitlichen Gründen zuhause.
Es ist jetzt beinahe 50 Jahre her, dass ich das erste Mal in der Bretagne war. Vier Monate nach meiner Führerscheinprüfung war ich damals mit 5 Freunden, drei Zelten und zwei PKW hier. Ich hatte zu der Zeit einen VW Käfer aus den 60er Jahren, blau und mit großem Schiebedach. Unerschrocken wie die Jugend nun mal ist, fuhren wir auf dem Rückweg mitten rein nach Paris – danach hat man die fahrerische Unerschrockenheit erlernt !
Die Bretonen kämpften zu der Zeit für eine Unabhängigkeit der Bretagne und gegen die Pariser Zentralregierung. Wir wurden auf einem Campingplatz misstrauisch beäugt, freundlich geht anders. Dann stellte sich heraus, dass es an unserem KfZ-Kennzeichen lag. Wir hatten am Ende eine 75 stehen, 75 wie das Departement Paris. Als wir erklärten aus Deutschland zu kommen, wurden die Menschen freundlicher – alles besser als Pariser !
Doch begleitet mich nun für die kommenden zwei Wochen auf einer kleinen Tour entlang der bretonischen Nordküste. Erstes Ziel ist Mont Saint Michel, welches ich nach einem Zwischenstop am Mittwoch erreiche.
Das kleine Dorf am Berg, an der Spitze die Abtei mit dem Erzengel Michael, liegt allerdings noch in der Normandie. Die Betonung liegt auf NOCH ! Der kleine Grenzfluss Couesnon, der die Normandie von der Bretagne trennt, liegt nur unwesentlich westlich von Mont-Saint-Michel, es reicht aber, um den Bretonen dieses Touristenziel ersten Ranges und Weltkulturerbe seit 1979 vorzuenthalten. Der Berg ist von der gesamten Küstenlinie der Bucht aus gut zu sehen und schon von fern zu erkennen.


Rings um das Wasser befinden sich Salzwiesen, die tagsüber von Schafen beweidet werden. Die Lämmer von diesen Wiesen gelten als Spezialität und werden in allen Restaurants der Region angeboten.

Jährlich besuchen etwa 2,5 Millionen Menschen den Berg, er gehört damit zu den meistbesuchten Kulturgütern Frankreichs. Die Ursprünge des Heiligtums gehen auf das Jahr 708 n.Chr. zurück. Der Legende nach erschien der Erzengel Michael dreimal dem damaligen Bischof von Avranches, bevor dieser schließlich die Abtei errichten ließ.
Zur Übernachtung habe ich einen Stellplatz an einem Restaurant auf dem Festland, unmittelbar beim Zugang zur Insel gelegen. Zum Zugang benötigt man einen Code für die Schranke. Leider war der offensichtlich falsch und ich musste das Fahrzeug neben der Schranke abstellen, um die Schlange hinter mir nicht weiter anwachsen zu lassen. Zum Glück liegt das Restaurant nur wenige Meter hinter der Schranke, sodass ich mich dort persönlich um einen gültigen Code bemühen konnte. Telefonisch gab es nur eine Bandansage auf französisch – mein Schulfranzösisch von vor über 50 Jahren reichte nicht zum Verständnis aus.

Der Platz ist an sich nichts besonderes, aber seine Lage war für mich überzeugend. Nur ca. 200 m von den Pendelbussen zum Berg entfernt, einen guten Kilometer bis zur Brücke. Mit dem Fahrrad ging es zum Sonnenuntergang die Bucht entlang, anschließend dann mit dem Pendelbus zum Dorf.
Die Insel mit der befestigten Abtei war im Mittelalter uneinnehmbar. In der Neuzeit wurde diese dann zu touristischen Zwecken durch einen Damm mit dem Festland verbunden, Parkflächen befanden sich unmittelbar am Eingang zum Ort. Durch den Damm versandete jedoch die Bucht immer mehr und Mont Saint Michel drohte von einer Insel zu einer Halbinsel zu werden. So beschloss man, den Damm abzureißen und durch eine Brücke zu ersetzen. Gleichzeitig baute man am Couesnon ein Stauwehr. Immer bei Flut wird das Wasser in den Fluss gelassen, bei Ebbe öffnet sich dann das Wehr und die Strömung schwemmt den Sand aus der Bucht ins Meer zurück.


Das Ganze funktioniert sehr gut, sodass Mont Saint Michel seit 2015 an mehreren Tagen im Jahr wieder eine echte Insel wird. Bei besonderer Konstellation von Mond und Sonne kommt es zu Gezeitenkoeffizienten von mehr als 110, ab diesem Wert steht das Wasser in der Bucht so hoch, dass für etwa eine Stunde kein Zugang mehr zu dem Ort besteht. Auch als ich an dem Abend hier ankam, stand das Wasser so hoch, dass der Zugang erst wieder nach Rückgang der Flut möglich war.
Vom frühen Morgen bis spät in die Nacht bringen die Pendelbusse Touristen zum Berg und seiner Abtei. Allerdings lässt der Besucherstrom nach Sonnenuntergang deutlich nach. Die in dieser Zeit wenig bis gar nicht bevölkerten Gassen mit den alten Gebäuden und Kopfsteinpflaster haben dann einen ganz eigenen Charme.
